Gründungs-Statement

Bündnis kritischer Händler*innen – nachhaltig, sozial und solidarisch”

Wir haben uns als kritische Händler*innen, bestehend aus Vertreter*innen von Mitgliederläden sowie Vegan- und Naturkostläden, überregional zusammengefunden, um an konkreten Alternativen zum etablierten System zu arbeiten, uns gegenseitig zu unterstützen und gemeinsam mit einer Stimme zu sprechen.

Der Anstoß für dieses Vorhaben war die gemeinsame Auseinandersetzung mit den sogenannten “Wochenendbotschaften” des Gründers und Geschäftsführers des Naturkost-Unternehmen Rapunzel, Joseph Wilhelm, im Frühjahr 2020. Wilhelm bediente in seinen Ausführungen teilweise Narrative, die mit denen der sogenannten „Querdenken-Szene“ übereinstimmen. Darüber hinaus enthielten die von ihm auf der Firmenhomepage veröffentlichten Statements antifeministische, verschwörungsideologische sowie lebensverachtende Aussagen. Zwar wurden die Texte nach medialem Druck von der Homepage genommen, doch eine Distanzierung blieb vage und für uns bisher nicht zufriedenstellend.

Und Joseph Wilhelm steht mit solch fragwürdigen Äußerungen und Gedanken nicht alleine da. Vielmehr sind Sozialdarwinismus und Verschwörungsdenken weit verbreitet in unserer Gesellschaft. Daran knüpfen auch rechte und völkische Gruppierungen an und versuchen, eine ökologisch-nachhaltige Lebensweise zu vereinnahmen. Dies ist aktuell unter anderem bei den sogenannten „Corona-Rebellen“ bzw. der „Querdenker-Szene“ zu beobachten. Dass sich dort auch viele Menschen wiederfinden, die einem eher alternativen oder ökologischen Milieu zugeordnet werden würden, erscheint nur auf den ersten Blick widersprüchlich. In einer Gesellschaft, in der Menschen jeden Tag antisemitische und rassistische Erfahrungen sowie andere Diskriminierungen erleben, sollte es nicht verwundern, dass entsprechende Haltungen ebenso im ökologischen Milieu anzutreffen sind. Inhaltliche Gemeinsamkeiten bilden dabei beispielsweise ein naiver Naturalismus, (struktureller) Antisemitismus sowie Sozialdarwinismus. Und auch esoterische Ansätze, Anthroposophie und Homöopathie enthalten für uns teilweise streitbare Grundsätze, haben mitunter gar braune Wurzeln und bieten zumindest Anknüpfungspunkte für menschenverachtende Einstellungen. Wenn sich in unserem direkten Umfeld vermeintlich progressive Ansätze als reaktionär erweisen, dann müssen wir uns, wenn wir es mit unseren Ansprüchen ernst meinen, klar dagegen positionieren.

Dennoch ist es ebenso wichtig, sich kritisch mit den bestehenden staatlichen Maßnahmen auseinanderzusetzen. Die Krise rund um Covid-19 wirkt wie ein Vergrößerungsglas auf lange bestehende Gerechtigkeitsverhältnisse und ökologische Schieflagen. Die globale Pandemie bringt dabei die vielfältigen Konflikt- und Bruchlinien der bestehenden Gesellschaft an die Oberfläche. Beispielsweise erscheinen die Ausbeutung und die auch schon vor der Pandemie miserablen Wohnverhältnisse der Arbeiter*innen bei Tönnies oder in der Spargelernte nur dann in der öffentlichen Wahrnehmung, wenn sie für das aktuelle Infektionsgeschehen relevant werden oder Umsatzeinbußen der entsprechenden Betriebe zu befürchten sind. Dabei sind es ohnehin die bereits vor der Krise marginalisierten Gruppen, die aktuell verstärkt um ihre Existenz fürchten müssen; Geflüchtete, Menschen in prekären Arbeits- und Wohnverhältnissen oder auch Künstler*innen und viele Selbstständige werden in dieser Krise vom Staat so gut wie vollständig ignoriert. Auch zeigen sich an der strapazierten medizinischen Versorgung die negativen Folgen jahrzehntelanger Privatisierungen im Bereich der existenziellen Daseinsvorsorge, während das kaputt gesparte Bildungssystem viele Schüler*innen mit zu den größten Verlierern der aktuellen Krise macht.

Wir stecken im Jahr 2022 noch immer mitten in dieser Krise und dennoch wird die Welt nach Corona bereits jetzt ausgehandelt. Es liegt dabei auch an uns, Veränderungen anzustoßen, durch die Freiheit, Gleichheit und Solidarität weltweit verwirklicht werden können. Ohne solidarisches Handeln, das hat die Geschichte gezeigt, werden die politischen Antworten auf die aktuelle Krise von der politischen Rechten kommen: In Form eines autoritären Staats, geschlossener Grenzen sowie weiterer sozialer und finanzieller Umverteilung zu Gunsten von Wachstum und Profit und auf Kosten der ohnehin schon strukturell Benachteiligten.

Wir als Händler*innen haben den Anspruch, auf diese Zustände aufmerksam zu machen und diese als zu bewältigende Probleme gemeinsam aktiv anzugehen. Unsere großteils kollektiv organisierten Strukturen bieten dafür neue Möglichkeiten und Experimentierräume. Dieses Potential wollen wir nutzen, um ein anderes Denken und Handeln zu ermöglichen und zu fördern. Langfristig wollen wir gemeinsam eine handlungsfähige Struktur aufbauen, damit wir uns mit klaren Positionen in die bestehenden Diskussionen einbringen können.

Auch wenn die Gründungsmitglieder alle einen ökologischen Background haben, ist das Bündnis offen für andere Händler*innen, die sich mit unseren Vorstellungen identifizieren können.

Let’s get organized!

Fette Beute, Onkel Emma, Dr. Pogo, ÖkoEsel, Mila O., schwarzwurzel, Warenwirtschaft, Schmackes